Kontraste im Motorsport: Während Verstappen die F1-Krone abgibt, feiert Giovinazzi ein historisches Comeback

Die Motorsport-Welt blickte am Wochenende auf zwei völlig gegensätzliche Schicksale. In der Formel 1 musste Max Verstappen nach einem turbulenten Rennen in Interlagos seine Hoffnungen auf einen fünften WM-Titel in Folge endgültig begraben. Beinahe gleichzeitig, in einer anderen hochkarätigen Meisterschaft, krönte sich ein ehemaliger F1-Pilot, Antonio Giovinazzi, mit Ferrari zum Weltmeister in der Langstrecken-WM (WEC) und vollendete damit eine beeindruckende Wiederauferstehung.

Verstappens Resignation im Titelkampf

Trotz einer spektakulären Aufholjagd vom letzten Platz, nach einem Start aus der Boxengasse, bis auf den dritten Rang in Brasilien, scheint der Sieg von Lando Norris die Titelträume des Niederländers beendet zu haben. Verstappen selbst machte dies in der anschließenden Pressekonferenz unmissverständlich klar. „Wie viel Rückstand haben wir jetzt, 49 Punkte?“, fragte er in die Runde. Er betonte, dass die Meisterschaft nicht erst in Interlagos verloren ging. „Wir haben die Meisterschaft eigentlich schon zwischen dem ersten Rennen und Zandvoort verloren. Wir hatten einfach zu viele Wochenenden, an denen wir nicht schnell genug waren.“ Dieser über die erste Saisonhälfte angewachsene Rückstand war, trotz einiger starker Phasen des RB21, letztlich nicht mehr aufzuholen. Für die letzten Rennen in Las Vegas, Katar und Abu Dhabi bleibt der Red-Bull-Pilot dennoch kämpferisch, wenngleich er zugab, dass das Team „immer noch einige Schwierigkeiten mit den Reifen“ habe und die Konkurrenzfähigkeit von Strecke zu Strecke stark variiere.

Giovinazzis Triumph: Vom F1-Aus zum Weltmeister

Demgegenüber steht die Erfolgsgeschichte von Antonio Giovinazzi aus Martina Franca. Die Behauptung, er habe Geschichte geschrieben, mag abgedroschen klingen, trifft in diesem Fall aber den Nagel auf den Kopf. Vom „Ausschuss“ der Formel 1 zum Weltmeister – das ist die nackte Realität. Der am Samstag in Bahrain errungene WEC-Titel ist für Ferrari von historischer Bedeutung, besonders da er nach nur drei Saisonen seit der Rückkehr in die Prototypen-Kategorie errungen wurde. Zur Erinnerung: Enzo Ferrari hatte sich damals in den frühen Siebzigerjahren entschieden, alle Ressourcen des Teams ausschließlich auf die Formel 1 zu konzentrieren.

Ein fehlendes Juwel in Maranellos Krone

Gemeinsam mit seinen Teamkollegen Alessandro Pier Guidi und James Calado auf der 499P mit der Startnummer 51 sicherte Giovinazzi Maranello jenen Titel, der in der ruhmreichen Sammlung des Hauses noch fehlte: den Fahrer-Weltmeistertitel in der Langstrecken-WM. Die Erklärung dafür ist einfach: In den glorreichen Ferrari-Jahren der Meisterschaft, also zwischen 1953 und 1972, wurden ausschließlich die Marken prämiert. Die Fahrer mussten bis 1981 auf eine eigene Trophäe warten, doch zu diesem Zeitpunkt war das „Cavallino Rampante“ schon längst andere Wege gegangen.

Ein steiniger Weg zurück an die Spitze

Giovinazzis Karriere ist eine Geschichte von Talent und außergewöhnlicher Hartnäckigkeit. Ohne sein Talent wäre er nie in die Formel 1 gekommen oder hätte viermal die 24 Stunden von Le Mans bestritten. Ohne seine Hartnäckigkeit hätte er sich aber nach dem vorzeitigen Ende seiner F1-Karriere, das für die allermeisten Piloten das definitive Aus und den Abstieg in kleinere Serien bedeutet, wohl nicht wieder aufgerappelt. Wer unfreiwillig aus der Königsklasse ausscheidet, verschwindet oft rasch in der Versenkung; Giovinazzi hatte die Kraft, diesem Schicksal zu entgehen.

Die Schattenseiten der Formel 1

Sein F1-Traum hatte sich 2019 verwirklicht, als er, zwei Jahre nach seinem Eintritt bei Ferrari, ein Stammcockpit bei Sauber (damals als Alfa Romeo gebrandet), einem Kundenteam von Maranello, erhielt. Es folgten drei schwierige Jahre in einem der am wenigsten konkurrenzfähigen Autos im Feld. Es gab durchaus Lichtblicke, wie den fünften Platz 2019 in Brasilien oder das 2020 mit 8:7 gewonnene Qualifying-Duell gegen seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen, aber eben auch sehr viel Schatten. Die Probleme lagen dabei weniger beim Fahrer als vielmehr beim Teammanagement in Hinwil, damals unter der Leitung von Frederic Vasseur. Das Verhältnis zu Giovinazzi kühlte zusehends ab, ein klares Symbol für mangelndes Vertrauen.

Politik und Geld: Das Ende im Zirkus

Am Ende, so schien es, wollte Sauber vor allem Kassa machen, mehr als die eigenen Ressourcen zu fördern. Als der chinesische Fahrer Guanyu Zhou mit einer kolportierten Mitgift von 30 Millionen Euro anklopfte, war das Schicksal des letzten Italieners in der F1 (vor dem erwarteten Aufstieg von Andrea Kimi Antonelli) besiegelt. Der F1-Zirkus ist eben nur an der absoluten Spitze wirklich leistungsorientiert. Bereits ein paar Stufen darunter regieren Geld und Politik – Zhou kam just zu jener Zeit, als F1-Eigentümer Liberty Media die Rückkehr des Grand Prix von China finalisierte.

Ferraris Vertrauen als Wendepunkt

Das Ende seiner F1-Karriere schien besiegelt, zumal 2022 ein katastrophales Jahr folgte: eine enttäuschende Saison in der Formel E beim Team Dragon/Penske Autosport, geprägt von Ausfällen und schlechten Leistungen, neben der undankbaren Rolle als dritter Fahrer bei Alfa Romeo und Haas. Man muss es Ferrari hoch anrechnen, dass sie ihn in dieser Zeit nie fallen ließen. Als 2023 das neue 499P-Projekt (in Synergie mit AF Corse) im WEC Gestalt annahm, war Giovinazzi in einem der beiden Teams gesetzt. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte: Der sensationelle Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans 2023 – der erste Ferrari-Sieg in der Königsklasse dort seit 1965 – legte den Grundstein. Heuer, in der Saison 2025, dominierte die Crew 51 die erste Saisonhälfte mit Siegen in Katar und Imola, letzteres der erste Ferrari-Heimsieg in Italien seit 1973. Sie bauten einen Vorsprung auf, den sie trotz der oft umstrittenen „Balance of Performance“-Regelungen (BoP) – ein System, das die Autos durch Zusatzgewicht oder Leistungsbegrenzung künstlich einbremst – erfolgreich ins Ziel brachten.